Die Bewohner
1971 – 73 lebten in dem alten Haus zahlreiche italienische Gastarbeiter. Unsere Nachbarin Vreni Weber-Thommen hat die Freuden und Leiden der neuen Mieter hautnah miterlebt und beschrieben:

D NOOCHBEREN USEM SÜDE (Auszug)
Im grüümigen alten und verlotterte Noochberhuus mit synen uusgloffene Stägetritt hai allergattig Fraue vo italiänische Frömdarbeiter es chürzers oder es lengers Gaschtspiil gee. Amene Meerzetag isch eini do aane cho, wo anderscht as alli andere gsi isch. Ungsellig und still isch si gsi. Vom Chuchifänschter uus hani öppenemol gseh, wie si im Garte hackt und allwäg Troscht druus schöpft, as es in der Frömdi au Ärde git under de Füess. Ärde, wo emänd s Weh vo den eigene verrissene Wurzle echlei chönnt lindere. Zu der Füürobezyt het si vorem Huus oder am Fänschter uf ihre Maa gwartet. Wenn er müed, staubig und verschwitzt s Wägli duryy cho isch, hai ihri Augen afo lüüchte. Mit ihm isch ebitz vo der Heimet, wo si so bös Langizyt derno gha het, zuenere zrugg cho. Obe für Obe. Mit der Zyt het si der Blick übere Gartehag uus lo goh und d Hüüser und d Lüt, wo si bis jetz nit het chönnen oder nit het welle zur Kenntnis neh, afo aaluege. Woni s erscht Lächle uf ihrem Gsicht gwahret ha, hani gmerkt, wie jung as si no isch.
I ha mynen Auge nit trout, wo si amene Vormidag an myner Huusglogge glütet het. As sen e Chummer zuemer trybt, hanere aber grad aagseh. Der Maa syg nit heicho nächt! Zerscht haneren es Kaffi gmacht. Denn hani gfrogt, öb si mitenander Chritz gha haige. Si het der Chopf gschüttlet. "Telefonare", het si gsait, und mer e Zeedel mit der Nummere glängt. Dä Maa syg hütt nit uf der Boustell erschiine, hai si im Gschäft Bscheid gee. Er wärd dänk imene Heuschüürli e Trooli uusschlofe! Öb er öppen eis übere Durscht neehm, han i d Frau drufabe gfrogt. Si het abgwunke. Problem? Depressione? Au nit! Öb i sell der Polizey brichte? Do isch Läben in se cho! Nei, numme das nit! Mit deere welle si nüt z tue ha! Wenn der Maa nit zum Vorschyn cheem, mües men e Vermisstmäldig mache, hani gsait. "Aspettare" het si vorgschlage.
Am andere Tag hani gfrogt, öb em Maa syni zwee Brüedere, wo au hiesig syge, nüt wüsse.
Wo mer am neeggschte Tag in der Chuchi bim Zmorge sitze, ghöre mer vo duss es Schreje, wonis dur March und Bei goht. I renn ans Fänschter, gseh zwee Manne, wo sech wie in Chrämpf am Bode tröölen und luti Brüel ablöje. Es sy beede Brüedere vom vermisste Noochber. Si hai der Brueder gfunde. Ganz nooch vo do, am Bahnbord obe, amene Baum.
Wo si drei Tag spöter in myner Chuchi gsässen isch, het die Frau äntlig öppis mit Überzüügig gsait. Das hätt ihre Maa, si het sech bekrüziget, nie gmacht, Hand an sich gleit! Nie! Uf ei Chlapf isch mer öppis klar worde. Ass i an das nit dänkt ha! En Abrächnig? Si nickt.
Ihri Zuekumft syg gstorbe mit ihrem Maa, het si lyslig gsait. Si reis no hütt heim zu ihrem alte Vatter. Zum Abschiid het si mer ihri letschte Salathäuptli gschänkt. Denn het si ihri Siibesache in e Schachtlen und in es Tuech packt, non e letschte Blick uf ihres Vierteli Pflanzplätz gworfen und isch us mynen Auge verschwunde.


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